Gegenwärtig wird die Neurophysiologie des Tourette-Syndroms hauptsächlich aus zwei Perspektiven betrachtet: Einer zur Bewertung der Dysfunktion des cerebralen Cortex (der Hirnrinde) und der anderen zur Aufklärung neurologischer Mechanismen, die den Tics zugrunde liegen.
Für erstere wurden die folgenden Untersuchungen durchgeführt: quantitative Analysen von EEGs, EEG-Potenziale vor einer Bewegung, transcranielle Magnetstimulation und neurologische Abbildungstechniken wie Echoplanar-Abbildungen im Rahmen der Kernspintomographie (MRT) und Positronenemissionstomographie (PET). Diese Untersuchungen haben die wahrscheinliche Beteiligung subkortikaler und kortikaler Strukturen, besonders der Basalganglien für die Pathophysiologie des Tourette Syndrom aufgezeigt.
Zur Aufklärung neurologischer Mechanismen dienten die Oberflächen-Elektromyographie, evozierte Potenziale, saccadische Augenbewegungen und Polysomnographien. Wieder lassen die Ergebnisse auf eine Störung in den Basalganglien und die Hirnstamm-Neuronen bei Tourette Syndrom -Patienten schließen.
Diese neurophysiologischen Befunde deuten auf eine Dysfunktion der motorischen und nicht-motorischen Basalganglien und der thalamokortikalen Schleife bei Tourette Syndrom Patienten hin, die laut Hypothese durch eine Hypofunktion der Dopamin-Neuronen zusammen mit einer Supersensitivität des Dopamin-Rezeptors sowie eine Hypofunktion der serotonergen Neuronen des Hirnstamms bewirkt wird.
Polysomnographien lassen vermuten, dass es sich bei der Dysfunktion der nigrostriatalen Dopamin-Neuronen (NS-DA) nicht um einen progressiven Prozess handelt sondern dass die Dysfunktion eng mit einem frühzeitig auftretenden entwicklungsbedingten Verringerung der Aktivitäten des NS-DA-Systems assoziiert ist, das nicht in einem normalen Umfang reift. Die Hypersensitivität des Dopaminrezeptors ist eine Konsequenz dieser Entwicklungs-Anomalie und beruht nicht auf einer Denervation.
Quelle:
Brain Dev. 2003
Segawa Neurological Clinic for Children, Tokyo, Japan