Wissenschaftler entdecken das erste Gen für das Tourette-Syndrom

Ein Team von Wissenschaftlern hat die erste Genmutation entdeckt, die einige Fälle von Tourette-Syndrom verursachen könnte. Beim Tourette Syndrom handelt es sich um eine vererbbare neuropsychiatrische Erkrankung, die durch unfreiwillige motorische und vokale Tics charakterisiert wird. Das “National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NINDS)”, ein Teil des “National Institutes of Health” finanzierte diese Forschung.

Das Team wurde geleitet von Dr. Matthew State, einem Genetiker der “Yale School of Medicine”. „Wir sind erfreut, dass unsere Unterstützung für Dr. State zur Entdeckung des ersten Gens für Tourette Syndrom beitrug und hoffen auf einen schnellen Nachweis anderer Gene, die diese Krankheit verursachen oder dazu beitragen”, sagte Dr Laura Mamounas, Programmdirektorin des NINDS für die Tourette Syndrom Forschung. Die Daten wurden in der Oktober-Ausgabe 2005 von Science veröffentlicht.

Das Gen (SLITRK1) wurde durch die genetische Analyse eines Jungen mit Tourette Syndrom entdeckt, bei dem man zuvor eine “Inversion” auf Chromosom 13 nachgewiesen hatte: Ein Teil dieses Chromosoms zeigte eine entgegengesetzte Orientierung zu dem normalen Chromosom. Er war das einzige Familienmitglied mit Tourette Syndrom und der Inversion, so dass man vermutete, dass beides in einem Zusammenhang steht.

Das Team führte dann ein Screening des SLITRK1–Gens in 174 Patienten mit Tourette Syndrom durch. Dieses Gen fand sich im Bereich der Chromosomenanomalie des Jungens. In einer Familie entdeckte man im Rahmen dieses Screenings eine Anomalie der codierenden Sequenz des Gens. Außerdem identifizierten die Forscher eine unabhängige mutierte Gensequenz in zwei nicht verwandten Personen mit Tourette Syndrom . Keine dieser Mutationen konnte unter mehreren 1000 nicht betroffenen Kontrollen nachgewiesen werden. Zusätzliche Untersuchungen in Zelkulturen zeigten veränderte Proteinexpressionen oder Proteinfunktionen und bestätigten somit den Befund eines mutierten Gens.

„Wir haben nun einen Schlüssel um das Tourette Syndrom auf einer molekularen und zellulären Ebene zu analysieren. Sofern sich die Befunde auch nur bei einer kleinen Anzahl von Tourette Syndrom -Patienten bestätigen lassen, ebnet dies den Weg für ein besseres Verständnis des Krankheitsprozesses und bietet einen möglichen Ansatzpunkt für die Entwicklung von Medikamenten zur Therapie von Tourette Syndrom “ sagt Dr. State.

Das normale SLITRK1-Gen ist am Wachstum von Nervenzellen beteiligt und an deren Verbindung mit anderen Neuronen. Das mutierte Gen wurde in Regionen des Gehirns gefunden (Basalganglien, Cortex, Vorderlappen), von denen man ausgeht, dass sie mit dem Tourette Syndrom in Zusammenhang stehen. Verschiedenen Chromosomenregionen mit Brüchen wurden zuvor bereits als mögliche Orte für ein Tourette Syndrom -verursachendes gen angesehen worden.

Tourette Syndrom kommt bei Personen sämtlicher ethnischer Gruppen vor. Männer sind ungefähr dreimal so häufig betroffen, wie Frauen. Die Krankheit wird meist zuerst im Kindesalter zwischen 7 und 10 Jahren entdeckt. Schätzungsweise 200.000 Amerikaner sind an einer sehr heftigen Tourette Syndrom-Form erkrankt und ca 1/100 zeigen schwächere und weniger komplexe Symptome wie chronische motorische oder vokale Tics oder vorübergehende Tic-Störungen in der Kindheit. Die meisten erleben die schlimmste Symptomatik vor der Pubertät. Nach der Pubertät tritt meist eine Besserung ein, die im Erwachsenenalter anhält.

Das Forscherteam beinhaltete Wissenschaftler eines speziellen Konsortiums der amerikanischen Tourette-Gesellschaft, die sich mit der Genetik des Tourette Syndroms beschäftigen (Tourette Syndrome Association’s International Consortium for Tourette Syndrom Genetics). Im März 2000 erhielt dieses Konsortium ein über 5 Jahre dauernden Zuschuss über 8.5 Millionen Dollar um die genetische Ursache von Tourette Syndrom zu finden.

Quelle:

Pressemitteilung des: National Institute of Neurological Disorders and Stroke
Zur Publikation freigegeben: 15.Dezember 2005

*Abelson JF, Kwan KY, O’Roak BJ, Baek DY, Stillman AA, Morgan TM, Mathews CA, Pauls DL, Raisin M-R, Gunel M, Davis NR, Ercan-Sencicek AG, Guez DH, Spertus JA, Leckman JF, Dure IV LS, Kurlan R, Singer HS, Gilbert DL, Farhi A, Louvi A, Lifton RP, Sestan N, State MW. “Sequence Variants in SLITRK1 Are Associated with Tourette’s syndrome.” Science , October 14, 2005, Vol. 310, No. 5746, pp. 317-320; DOI:10.1126/science.1116502.
-by Paul Girolami