Die Autoren haben von verschiedenen Personen gehört, dass sie Zahnschienen zur Therapie vom Tourette-Syndrom verwenden. Da es bislang keine Studie zu diesem Therapieansatz gibt, kann nichts zu seiner Wirksamkeit gesagt werden.
Von der Amerikanischen Tourette-Gesellschaft wurde nun eine diesbezügliche Studie geplant und die Autoren stehen in ständigem Kontakt mit der US-Gesellschaft und werden über die Ergebnisse berichten, sobald sie vorliegen. Bis dahin haben die Autoren Ergebnisse kleinerer Studien zu diesem Thema gesammelt.
Eine beinhaltet Antworten von Patienten, die Zahnschienen verwendeten und eine von Zahnärzten, die diese Therapie anwenden. Es handelt sich dabei nicht um ein wissenschaftliches Dokument, sondern lediglich um Informationen zu diesem Thema.
Die erste Studie enthält die Ergebnisse von 21 Befragungen, die dazu dienen, herauszufinden, warum Patienten diese Schiene tragen. Lediglich 7 Patienten beantworteten die Fragen.
Die Mehrzahl der Patienten, die diese Therapie versuchten, waren unter 15 Jahre alt und männlich. 5 der 7 Patienten hatten nur ein reines TS, die anderen 2 wiesen auch komorbide Erkrankungen wie Zwangserkrankungen oder Autismus auf. Alle hatten eine bestätigte Diagnose von einem Arzt und 3 der Patienten nahmen Medikamente ein. Die Teilnehmer berichteten von Tics, die Gesicht, Kopf und Hals betrafen und einige litten auch an Koprolalie. Dabei beeinträchtigten die Tics die Betroffenen unterschiedlich in ihrem sozialen Umfeld. 4 der 7 Patienten berichteten, dass die Zahnärzte ihnen gesagt hätten, die Therapie würde sie heilen. Den Anderen wurde ein möglicher Erfolg versprochen, der aber nicht garantiert werden kann. Im Mittel waren 2-3 Besuche beim Zahnarzt erforderlich, auch wenn ein Patient über zwei Jahre jeden Monat zum Zahnarzt musste. Keiner der Zahnärzte sprach die Therapie mit dem behandelnden Arzt ab. Die Mehrheit der Patienten erfuhr die Therapie in den letzten 12 Monaten, einer jedoch vor einigen Jahren.
Hinsichtlich des Erfolges der Therapie waren 2 Personen glücklich, da die meisten Tics verschwanden, eine Person war zufrieden, da ca die Hälfte der Tics verschwand und 2 Personen waren sehr unzufrieden, da sich nichts änderte. Zwei Personen berichteten, dass es zu früh sei, um über den Erfolg zu reden, da es Schwierigkeiten beim Anpassen der Schiene gegeben hatte. Keiner der Betroffenen war vollständig geheilt worden. Einer der Patienten berichtete, dass sich die Schiene auch positiv auf seine Zwangserkrankung ausgewirkt habe, während ein anderer von Schwierigkeiten berichtete, den Kiefer in der neuen Position zu halten.
Die Kosten der Therapie belaufen sich auf 3600-10000 GBP und sie wird von den gesetzlichen Kassen nicht bezahlt. In den USA scheint die Therapie 3000 $ zu kosten.
Zusammenfassung der Befragung der Zahnärzte:
Die Befragung der Zahnärzte beinhaltete 14 Fragen um mehr über die Therapien, die sie für TS-Betroffene anbieten, herauszufinden. Die Autoren kennen bislang 4 Zahnärzte, die die Therapie mit der Schiene anbieten und von diesen beantworteten 3 die Fragen.
Wie wirkt die Schiene?
Tourette-Spezialisten finden es schwierig zu erklären, wie eine Zahnbehandlung im Hinblick auf die Neurobiologie des TS wirken kann.
Zahnärzte erklären sich die Wirkung folgendermaßen: das Tourette steht in den meisten Fällen im Zusammenhang mit einer temporomandibulären Dysfunktion. Ist der Unterkiefer zu weit nach hinten gelagert, so kann es beim Beißen zu einem Druck auf den Nervus auriculotemporalis kommen. Dies kann wiederum Auswirkungen auf den Sehnerv haben (Augenblinzeln), den Nervus glossopharyngealis (Räuspern, Bellen, Koprolalie) und die akzessorischen Nerven (Schulterzucken, und sonstige motorische Tics). Die Therapie zielt darauf ab, diese Kompression durch die Fehlstellung des Unterkiefers zu mindern indem die Schiene den Unterkiefer weiter nach vorne bringt. Gleichzeitig muss der obere Bogen geweitet werden, damit der Unterkiefer in die neue Position passt. Zusammen haben die 3 Zahnärzte 19 Patienten behandelt, 8 von ihnen jünger als 17 Jahre. Mindestens 3 Besuche beim Zahnarzt waren erforderlich, doch berichten die Zahnärzte von gegebenenfalls mehreren Besuchen (bis zu maximal 24 in 2 Jahren). Die Kosten lagen zwischen 2500 und 10000 GBP.
Hinsichtlich der Erfolge der Therapie befragt, berichtete ein Zahnarzt von einer vollständigen Heilung, doch in den meisten Fällen verschwand die Mehrheit der Symptome und einige Tics blieben erhalten. Keiner der Zahnärzte berichtete, dass die Therapie keinerlei Nutzen gezeigt hatte, was im Widerspruch zu der Befragung der Betroffenen steht. Die Zahnärzte kannten jedoch keine anerkannten Verfahren zur Bewertung von Tics vor und nach einer Therapie, was für wissenschaftliche Studien vonnöten ist.
Befragt zu den Langzeiterfolgen der Therapie meinten 2 Zahnärzte, dass sie von Dauer sei und ein Zahnarzt berichtete, dass ein Patient nach der Therapie einen Vokaltic entwickelte. Ansonsten gab es keine Nebenwirkungen. Außerdem wurde von einem positiven Effekt auf ADHS und Ängste berichtet.
Zusammenfassend lässt sich Folgendes sagen: Die Autoren gehen davon aus, dass es bislang noch zu wenig Daten gibt, um Aussagen über eine dentale Therapie bei TS zu machen. Daher sind die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie zu diesem Thema sehr wichtig.
Befremdend erscheint den Autoren, dass die Zahnärzte nicht mit den behandelnden TS-Spezialisten zusammen arbeiten und dass einigen Familien eine komplette Heilung durch die Therapie versprochen wurde. Da es sich bei einigen Patienten um Heranwachsende handelt, kann man nie voraussagen, wie sich das TS im Laufe zweier Jahre verändert. Die Autoren setzen daher große Hoffnung auf die Studie in den USA.
http://www.tourettes-action.org.uk/research/
Quelle:
Tourette Syndrome (UK) Association, United Kingdom