Eine Studie zum Corpus Callosum unmedizierter Jungen mit ‚reinem‘ Tourette Syndrom

Ziel der Studie:
Eine veränderte hemisphärische Konnektivität im Gehirn weist auf Störungen in der Funktionsweise des Corpus Callosum (CC) hin und scheint mit dem Tourette Syndrom (TS) in Verbindung zu stehen. Ziel der vorliegenden Studie war es, weitere Erkenntnisse zum Einfluss der interhemisphärischen Konnektivität auf das Störungsbild „TS“ zu gewinnen.

Methoden:
Mittels diffusionsgewichteter Magnetresonanztomographie (auch Diffusion-Tensor-Bildgebung / DTB)* wurden verschiedene Parameter erhoben, die Rückschlüsse auf die Konnektivität im CC zu lassen. Die Stichprobe stellte eine sehr homogene Gruppe unmedizierter Jungen mit ‚reinem‘ TS dar, welche mit einer gesunden männlichen Kontrollgruppe verglichen wurde.

Ergebnisse:
Wir analysierten 4 DTB Parameter (fraktioniale Anisotropie, radiales, axiales sowie mittleres Diffusionsvermögen) im CC bei 26 unmedizierten Jungen mit TS sowie 24 gesunden Kontrollprobanden. Im Bereich der fraktionalen Anisotropie sowie des radialen Diffusionsvermögens stellten wir keinerlei Unterschiede zwischen den Gruppen fest. Allerdings fanden wir einen signifikanten Effekt für axiales Diffusionsvermögen sowie einen Trend für mittleres Diffusionsvermögen, welche bei Jungen mit TS im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe reduziert waren. Zudem konnte eine negative Korrelation zwischen axialem Diffusionsvermögen und dem Gesamtwert des Yale Global Tic Severity Scale (YGTSS) beobachtet werden.

Interpretation:
Ein reduziertes axiales Diffusionsvermögen in der weißen Substanz des CC bei unmedizierten Jungen mit TS im Vergleich zu nicht betroffenen Jungen könnte darauf hinweisen, dass signifikante Abweichungen in der axialen Mikrostruktur der weißen Substanz des CC Bestandteil der Tic-Symptomatik per se sind und nicht durch Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) oder Auswirkungen von (Langzeit)-Medikation hervorgerufen werden.

*Die Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTB) misst per Magnetresonanztomographie (MRT) die Diffusionsbewegungen von Wassermolekülen in Körpergewebe und stellt diese räumlich dar. Die Untersuchung mit DTB stellt eine Möglichkeit zur Darstellung der Richtung von Nervenfaserbündeln des Gehirns dar und lässt so Rückschlüsse auf mögliche Gewebeveränderungen zu.


 

Copyright/Autoren:
Nicole Wolff, Ina Luehr, Jennifer Sender, Stefan Ehrlich, Carsten Schmidt-Samoa, Peter Dechent, Veit Roessner
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus · 01304 Dresden