Das medizinische Zentrum der Universität Rochester (University of Rochester Medical Center (URMC)) führt an mehreren Zentren eine klinische Studie zu einer neuen Therapie des Tourette-Syndroms durch. Die Studie soll prüfen, ob ein Medikament, das die chemische Aktivität im Gehirn verändert, die Symptome der Krankheit lindern kann.
Beim Tourette-Syndrom handelt es sich um eine neurologische Erkrankung, die durch multiple, sich wiederholende Tics charakterisiert wird. Diese Tics bestehen im allgemeinen aus abrupten unfreiwilligen vokalen oder motorischen Tics. Die Symptome beginnen in der Regel in der Kindheit und können mit der Zeit an Frequenz und Stärke zunehmen. Viele Individuen mit Tourette Syndrom leiden an einer leichten Form der Krankheit und benötigen keine medikamentösen Eingriffe, solange die Tics nicht ihr tägliches Leben stören. Patienten mit schwereren Formen des Tourette Syndroms werden gegenwärtig mit verschiedenen Psychopharmaka behandelt
„Während der genaue Mechanismus, der das Tourette Syndrom verursacht, noch unbekannt ist, haben wir lange Zeit beobachtet, dass Dopamin in Individuen mit Tourette Syndrom übermäßig aktiv ist,“ sagt der URMC-Neurologe Roger Kurlan, M.D., der Verantwortliche der Studie. Dieses chemische Ungleichgewicht im Gehirn könnte für die Krankheit eine Rolle spielen und konsequenterweise senken, die Medikamente, die derzeit zur Therapie des Tourette Syndroms eingesetzt werden die Dopaminproduktion. Diese Medikamente haben jedoch häufig schwere Nebenwirkungen, die häufig von einer Verwendung Abstand nehmen lassen.
Kurlan und seine Kollegen untersuchen ein Medikament mit Namen Mirapex (Pramipexol). Das Medikament wurde in den USA von der Food and Drug Administration zur Anwendung bei Patienten mit Parkinson und Restless-Leg-Syndrom zugelassen. Mirapex ist ein Dopamin-Agonist. Es stimuliert die Dopamin-Produktion im Gehirn. Kleinere Pilotstudien mit dem Medikament in Tourette-Patienten zeigten gute Ergebnisse und wenig Nebenwirkungen. Mirapex befindet sich für Tourette Syndrom-Patienten in der klinischen Studie.
„Wahrscheinlich ginge man eher davon aus, dass es kontraproduktiv wäre, die chemische Aktivität im Gehin noch mehr zu stimulieren, wenn wir wissen, dass bei Tourette Syndrom-Patienten bereits ein Ungleichgewicht hinsichtlich des Dopamins besteht” sagte Kurlan. Trotzdem glauben wir, dass es möglicherweise bei den Dopamin-Rezeptoren zu einer Adaptation führt und zu einer Desensibilisierung, so dass sie auf das überaktive Dopamin weniger reagieren.
Kurlan ist der Kopf der “Tourette’s Syndrome Study Group”, einem internationalen Netzwerk von Forschern, die nahezu an jeder großen klinischen Studie zu dieser Krankheit beteiligt sind. Es waren Arbeiten von Kurlan und seinen Kollegen, die 2001 in Schulen von Monroe County, New York zeigen konnten, dass TS häufiger vorkommt, als bisher vermutet. Seine Forschungen zeigten, dass 1 von 4 Kindern in speziellen Erziehungsprogrammen der Schulen dieser Region eine Form von Tics oder Tourette Syndrom zeigten. Kurlan und seine Kollegen wiesen auch auf den Vererbungscharakter von Tourette Syndrom hin und halfen so, dass die bisherige Meinung, beim Tourette Syndrom handele es sich um eine psychologische Störung, zerstreut wurde.
Kurlan und sein Kollege Dr. Jonathan Mink, M.D. betreiben auch eine der größeren TS-Kliniken im Land, die zu jeder Zeit mehr als 2000 Tourette-Syndrom-Patienten aus dem Hinterland von New York und Nord_Pennsylvania betreut.
URMC sucht nach Familien von Kindern oder Heranwachsenden mit Tourette Syndrom, die durch ihre Tics gestört werden und an der Studie teilnehmen möchten. Die Studie wird finanziert von Boehringer Ingelheim Pharmaceuticals, dem Hersteller von Mirapex und es entstehen keine Kosten für die Teilnehmer. Die Studie dauert 6 Wochen mit einer Option für die Patienten, die Medikation auch über einen längeren Zeitraum fortzusetzen.
Quellen:
Studienbeschreibung
Studienorte:
http://www.urmc.rochester.edu/
Anm. des Übersetzers:
Dopaminagonisten (aus:“Behandlung des Tourette-Syndroms“
von Prof. Dr. med. Kirsten R. Müller-Vahl
Abteilung Klinische Psychiatrie und Psychotherapie
Medizinische Hochschule Hannover
In den letzten Jahren wurden einige Studien veröffentlicht, wonach überraschenderweise ein Dopaminagonist (Pergolid (Parkotil®)) – also eine Substanz, die das Dopaminsystem fördert und nicht (wie Neuroleptika) hemmt und in der Therapie der Parkinson-Krankheit etabliert ist – ebenfalls effektiv in der Tic- Behandlung ist.
Es wurde vermutet, dass die positive Wirkung auf eine Interaktion mit Dopamin-Autorezeptoren zurückzuführen sei. Dies würde erklären, warum es in niedriger Dosis zu einer Tic-Verminderung, in hoher Dosis aber zu einer Zunahme der Tics kommen kann. Auch wurde über einen positiven Behandlungseffekt durch LDopa – ein ebenfalls in der Parkinsontherapie gebräuchliches Medikament – berichtet. Demgegenüber zeigte ein weiterer Dopaminagonist (Talipexol) einer kleineren Studie zufolge keine positiven Effekte auf Symptome des Tourette Syndroms.