Tierversuche sind manchmal unumgänglich, wenn es darum geht neue Medikamente zu erproben oder an Hand von Tiermodellen Ursachen von Erkrankungen zu verstehen. So wurde 2014 die Hypothese von Casetellan Baldan und seinen Mitarbeitern, dass die Pathologie von Tics auf einer Veränderungen im histaminergen Netzwerk und einer damit verbundenen Dysregulation der dopaminergen Modulation der für Bewegung zuständigen Basalganglien basiert, mit Tierversuchen untermauert.
Die Gruppe basierte ihre Arbeiten auf einer Studie von Ercan-Sencicek und Mitarbeitern (2010), die eine mehrfach am Tourette-Syndrom betroffene Familie untersuchten, bei der 9 betroffene Personen eine Mutation des Gens für Histidin-Decarboxylase (HDC) (Hdc W317X) aufwiesen – ein deutlicher Hinweis dass das histaminerge System eine Rolle in der TS Pathologie spielt.
Die Histidin-Decarboxylase ist ein Enzym zur Bildung von Histamin aus Histidin und die Mutation verhindert diese Umwandlung und führt somit zu einer deutlich verminderten Produktion an Histamin. Es hat sich gezeigt, dass TS an eine veränderte Transmission von Dopamin gekoppelt ist und eine fehlerhafte Kommunikation zwischen Dopamin und Histamin auf Grund der Mutation könnte bei den 9 Betroffenen das TS erklären. Leider ist dies Mutation sehr selten, so dass Balden und Mitarbeiter in einem Tiermodell mit Mäusen, denen das HDC-Gen fehlt, versuchten die Zusammenhänge zwischen HDC und TS näher zu untersuchen.
Sie untersuchten diese “HDC knockout (KO)” Mäuse ohne funktionierendes HDC Gen, sowie HDC heterozygote Mäuse mit nur einem funktionierenden HDC Gen und die 9 Hdc W317X Patienten. Sie konnten TS-typisches Verhalten und neurochemische Anomalien bei den Patienten mit Hdc W317X Mutation und den Hdc KO sowie den heterozygoten Mäusen beobachten. So wie Individuen mit einem hypomorphen Hdc Allel Tics zeigen, gilt dies auch für hdc KO Mäuse und Heterozygoten, die stereotypische Tic-Ähnliche Verhaltensmuster zeigen.
Offensichtlich spielt die histaminerge Neurotransmission bei der Bildung von Tics eine Rolle. Das Tic-ähnliche Verhalten konnte durch den Dopamin D2 Antagonisten Haloperidol, ein Therapeutikum für TS gemindert werden und durch Infusionen von HA in das Gehirn, was die Bedeutung der HA-DA Interaktion in den Basalganglien aufzeigt. Die Daten bestätigen, dass ein Mangel an Histidin-Decarboxylase als seltene Ursache für TS in Frage kommt, da er zu einer Dysregulation des dopaminergen Systems führt. HA könnte somit eine Rolle bei zukünftigen Untersuchungen zur TS-Pathologie und der Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze spielen.