Die moderne Medizin floriert mit den Vorstellungen spezifischer Krankheiten und die Spezifität hat das Denken in der klinischen Praxis und der biomedizinischen Forschung (Neuroscience) revolutioniert. Auf dem Gebiet der Verhaltensforschung hat der Begriff der Spezifität durch Befunde der bildgebenden Diagnostik (Neuroimaging) und der Genetik neue Bedeutung erlangt. Im Hinblick auf eine pharmakologische Spezifität zeigen die Autoren neue Daten auf, die vermuten lassen, dass zumindest für bestimmte Individuen, spezielle Verhaltens-Interventionen (Anm. d. Übers. Hypnose, Verhaltenstherapie, Suggestion) fokale Hirnaktivitäten beeinflussen können.
Eine Interpretation dieser Daten ebnet den Weg einer wissenschaftlicheren Strategie zur Analyse der neuralen Grundlage für Suggestion und Placebo-Wirkung und erweist sich vielversprechend im Hinblick auf eine maßgeschneiderte Therapie für einzelne Patienten. Bereits in der Pharmakologie zeigt sich, dass der Begriff der Spezifität weit gefasst ist. So kann ein Medikament (z.B. ein Serotonin-Reuptakehemmer, SSRI) für verschiedene Symptome wirksam sein (Zwangsverhalten, Angst, Depression).
Trotzdem besteht die Vorstellung, dass Pharmazeutika spezifisch in Bezug auf ihre biologische Wirkung und den therapeutischen Effekt sind. Demgegenüber gelten die meisten psychotherapeutischen Ansätze als unspezifisch. Es gibt jedoch immer mehr Hinweise darauf, dass auch diese spezifisch in Bezug auf den Mechanismus und die therapeutische Wirkung sind. Mit Hilfe neuer bildgebender Verfahren kann man zeigen, dass Psychotherapien Prozesse im Gehirn durch Effekte beeinflussen, die mit denen vergleichbar sind, die durch Pharmazeutika erzielt werden.
In einer Studie mittels Positronenemissionstomographie (PET) von Patienten mit Zwangsverhalten (OCD) konnte gezeigt werden, dass sowohl nach Verhaltenstherapie als auch nach Therapie mit Fluoxetin ähnliche Veränderungen im cerebralen Metabolismus in bestimmten Gehirnbereichen beobachtet werden konnten. Wiederholungen der Studie und Vergleiche mit gesunden Kontrollen konnten bestätigen, dass eine Verhaltenstherapie die Gehirnaktivität in OCD-Patienten zu normalisieren scheint (Baxter et al., 1996; Schwartz, Stoessel, Baxter, Martin, & Phelps, 1996). Ähnliche Befunde konnten auch bei Patienten mit Depressionen oder Angstzuständen beobachtet werden. Andere Studien zeigen eine veränderte Blutströmung im Gehirn nach psychiatrischen Therapien wie der kognitiven Verhaltenstherapie.
Schlussfolgerung:
Die Autoren gehen davon aus, dass, zumindest für bestimmte Patienten Verhaltens-Interventionen wie eine Verhaltenstherapie, die auf die empfänglichen Patienten maßgeschneidert wird, die Kognitionen, Emotionen, Gedanken und das Handeln über gezielte neurale Aktivierungen beeinflussen kann. Geht man davon aus, dass Suggestionen die Hirnaktivität einzelner Foci beeinflussen kann, sollten mehr Anstrengungen in die Richtung gehen, die Effekte von Erwartung, Suggestion und Placebo zu verstehen.
Quelle:
American Journal of Clinical Hypnosis 2007
SMBD Jewish General Hospital and McGill University, Prof. Amir Raz
In Zeiten der ständig neuen Entwicklungen auf den Gebieten der Genetik und der bildgebenden neurologischen Darstellung könnte es in der nahen Zukunft eventuell möglich sein, Patienten und wirksame psychologische Therapien mittels genetischen Screenings, Persönlichkeitsprofilen u.ä. zu identifizieren. In einer derartigen Welt könnte die bildgebende neurologische Diagnostik (Neuroimaging) bei der Entscheidung helfen, welcher Patient mit Arzneimitteln und welcher mit Psychotherapie behandelt werden sollte und außerdem die Effekte der jeweiligen Therapie aufzeige.