Beim Gilles de la Tourette-Syndrom (GTS) handelt es sich um eine neuropsychiatrische Erkrankung, die durch multiple motorische und vokale Tics charakterisiert wird. Frühere strukturelle MRT-Untersuchungen konnten regionale Anomalien in der grauen Substanz, speziell den Basalganglien, identifizieren.
Diese Befunde stimmen mit der Annahme überein, dass Veränderungen in cortico-striato-thalamo-corticalen Regelkreisen und in der dopaminergien Neurotransmission eine Hauptrolle in der Pathophysiologie des Tourette-Syndroms spielen. Außerdem lassen neuere Studien vermuten, dass auch die sensorisch-motorischen Cortices an der Pathophysiologie des Tourette Syndroms beteiligt sind. Trotzdem ist noch wenig bekannt, welche Rolle Veränderungen der weißen Substanz beim Tourette Syndroms spielen.
Die Autoren versuchten abzuklären, ob das Tourette Syndroms auch mit Anomalien der Mikrostruktur der weißen Substanz assoziiert ist und ob diese Veränderungen mit der Tic-Schwere korrelieren.
In einer morphometrischen Studie, die auf Diffusion-Tensor-MRTs des gesamten Gehirns basierte, verglichen sie die Diffusionseigenschaften von Gehirngewebe zwischen 15 nicht therapierten Erwachsenen mit Tourette Syndroms ohne psychiatrische Comorbidität und 15 Kontrollen (in bezug auf Alter und Geschlecht gemischt). Sie führten eine Voxel-basierte Morphometrie der Werte der regionalen fraktionellen Anisotropie (FA) durch, um regionale Unterschiede in der Mikrostruktur der weißen Substanz zwischen den Gruppen zu identifizieren. Ferner suchten sie nach einer linearen Beziehung zwischen regionalen FA-Werten und klinischen Scores der Tic-Schwere. Ein wahrscheinlichkeitstheoretisches Faser-Tracking sollte die anatomische Konnektivität der Bereiche charakterisieren, die Unterschiede in der regionalen FA zeigen.
Im Vergleich zu gesunden Kontrollen zeigten die Tourette-Patienten bilaterale FA-Anstiege in der weißen Substanz, die unter dem post- und precentralen Gyrus, unter dem linken supplementären motorischen Bereich und im rechten ventro-postero-lateralen Teil des Thalamus liegen. Der Spitzen-Anstieg in der FA war unterhalb des linken postcentralen Gyrus lokalisiert. Die wahrscheinlichkeitstheoretische Tractographie identifizierte transcallosale und ipsilateral cerebello-thalamo-corticale Wege des somatosensorischen Systems, die diese subcortikale Region passieren. In Patienten zeigte die regionale FA in diesen Regionen eine umgekehrte Relation zur Tic-Schwere.
Diese Befunde deuten zum ersten Mal darauf hin, dass es beim Tourette Syndroms strukturelle Veränderungen in den somatosensorischen Wegen gibt. Veränderungen der Eigenschaften der Wasser-Diffusion deuten auf eine geringere Verzweigung im somatosensorischen Bereich von Tourette Syndroms-Patienten hin. Die negative Korrelation zwischen höherer regionaler FA und weniger Tics lassen vermuten, dass diese Veränderungen der Mikrostruktur der weißen Substanz eine adaptive Reorganisation der somatosensorischen Verarbeitung beim Tourette Syndroms repräsentieren.
Quelle:
Department of Neurology, University Medical Center Hamburg-Eppendorf, Hamburg
Brain. 2009 Jan