Impressionen Ferienfreizeit Sommerwind 2019 für junge Menschen mit Tourette Syndrom

Termin: 29. Juli bis 02. August 2019

Veranstaltungsort: Naturfreundehaus Brombacher Hütte in Schmitten

„Teenager die mit ihrem Tourette Syndrom in der Gesellschaft oft als einzigartig angesehen werden, finden Gleichgesinnte und werden zu einer kleinen Familie, in der Tic & Tourette das Normalste der Welt ist.“ (Esther, Trainerin N.E.W.)

Workshop Tourette

Schon zum dritten Mal in Folge ermöglichte der „Interessenverband Tic & Tourette Syndrom e.V.“ eine Ferienreizeit für Jugendliche und junge Erwachsene ab 16 Jahren mit Tourette Syndrom. Der diesjährige Treffpunkt war das Naturfreundehaus Brombacher Hütte, das durch seinen urigen Charme und die abgelegene Lage im Wald überzeugte. Programmlich gestaltet und begleitet wurde die Freizeit durch das „N.E.W. Institut Mainz“.

Weg mit dem Alltagsstress – Das hier und jetzt genießen

Tourette Sommerwind Das Naturfreundehaus Brombacher Hütte liegt mitten im Wald ohne Handy Netz oder großen Luxus. Im ersten Moment eine große Umstellung für alle Teilnehmer, wenn selbst die Klospülung nicht automatisch funktioniert. Aber gerade diese Einstellung auf etwas Neues hat die Teilnehmer in ihrem Sein unterstützt. Keiner der Teilnehmer wurde als störend oder zu laut empfunden, sie konnten einfach sie selbst sein und den Tics auch mal freien Lauf lassen.

Der Wald regte zum Zelten, zum Schlafen unter freiem Himmel, zu kurzen Ruhepausen oder zum Energie raus lassen, z.B. beim Holzhacken, an. Aber auch für eine gemeinsame Wanderung zum Schwimmbad gab es Zeit und Raum.

Gemeinsam stark!

Rückblickend erscheint uns das ein gutes Motto für diese Woche, denn viele der Teilnehmer trafen im Rahmen dieser Freizeit zum ersten Mal auf Menschen mit dem Tourette Syndrom. In ihrer gewohnten Umgebung sind sie meist ein Einzelfall und gerade der Austausch mit anderen macht vielen bewusst, dass sie nicht alleine sind. Auch brauchten die Teilnehmer sich in dieser Gruppe nicht groß zu erklären. Fragen aus dem Alltag wie: „Was sind Tics bzw. Tourette?“ waren überflüssig. Dadurch entwickelte die Gruppe ein starkes Gemeinschaftsgefühl, was bei erlebnispädagogischen Spielen wie „Gruppen-Jonglage“ oder „Dem schnellsten Spiel der Welt“ noch verstärkt wurde.

Kochen und Kultur

Tourette Sommerwind Beim Kochen stand die Mitbestimmung der Teilnehmer an erster Stelle. Jeder durfte mit entscheiden was er gerne essen bzw. was er auch gerne mal kochen würde. Kochen ist eine schöne Möglichkeit die Eigenverantwortlichkeit zu stärken und das Ganze dann auch noch mit einem leckeren Ergebnis zu belohnen.

Viele Kochaktionen fanden abends auf dem Lagerfeuer statt, was für viele eine neue Art des Kochens war.

Nicht nur das unterschiedlichste Geschmäcker und Menschen aufeinandertrafen, dieses Jahr gab es auch eine Vielfalt an Kulturen. So durften wir Dienstagabend in den Genuss der Koreanischen Küche gelangen.

Alte Bekannte und neue Gesichter

Jean-Marc Lorber und Michael Arnold kamen uns auch dieses Jahr wieder besuchen. Wir sind froh, dass sie es jedes Jahr wiedereinrichten können und mit uns eine erlebnisreiche Zeit verbringen. Mit ihrer offenen Art und ihrem Humor fällt es den Teilnehmern leicht mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Jean-Marc dient mit seiner lockeren Art vielen als Vorbild, wie man mit seinem Tourette umgehen kann. Er zeigt, das Tourette nicht nur eine ernste Sache sein muss und auch mal gelacht werden kann.

Als weiteren Gast dieser Woche durften wir am Donnerstag einen Diplompsychologen begrüßen, der sich Zeit nahm, um mit den Teilnehmern ins Gespräch zu kommen. Er gab den Teilnehmer einen geschützten Rahmen sich über ihre Ängste, Vergangenheit oder Probleme auszutauschen und ermöglichte neue Perspektiven.

Erlebnispädagogische Highlights

Tourette Sommerwind Die Erlebnispädagogischen Highlights dieser Woche waren vor allem das Bogenschießen, bei dem die Teilnehmer nicht nur Ruhe und ihr eigenes Köpergefühl stärkten, sondern auch beim synchron-Bogenschießen auf die anderen achten mussten, um einen gemeinsamen Rhythmus zu finden.

Ebenfalls ein Höhepunkt war das gemeinsame Klettern an den Eschbacher Klippen. Es war nicht nur erstaunlich wie alle Teilnehmer über ihre Grenzen und Ängste hinausgewachsen sind, sondern auch wie hoch das Vertrauen war sich unter Anleitung gegenseitig zu sichern.

Aber auch das abendliche Lagerfeuer bot Raum für die unterschiedlichsten Erlebnisse, sei es Werwolf spielen, das gemeinsame Singen oder als großen Knalleffekt am letzten Abend das Feuerspucken.

Ein Tränenreicher Abschluss

Nach einem entspannten Frühstück Freitagmorgen hieß es Abschied nehmen. In der Abschlussreflexion wurde deutlich wie intensiv und erlebnisreich diese Woche für alle war. Viele die dachten sie würden sich hier nur schwer integrieren können, waren von sich selbst überrascht wie leicht es doch letztendlich ging. Alle waren sich einig, dass die gemeinsame Zeit zu schnell vergangen wäre. Und hoffen auf ein baldiges Wiedersehen, vielleicht sogar im nächsten Jahr.


Eindrücke von Jean-Marc und Micha

Das diesjährige Sommerwind Camp fand unter dem Motto „back to the roots“ statt. In der Brombacher Hütte, abseits jeglicher Zivilisation (das nächste Dort war nur knapp 2 km weg, aber man hatte das Gefühl im Niemandsland zu sein), sollten die Teilnehmer sich auf das Wesentliche besinnen. Das galt natürlich auch für uns.

Dort angekommen stießen wir als dann auf Carmen Grieger, die auf dem Weg zum Familienworkshop war und dem Camp einen kleinen Besuch abstatten wollte.

Wir wurden von den Teilnehmern und dem Erlebnis-Pädagogen Team des N.E.W. Instituts herzlichst empfangen. Es gab Leckeres vom Lagerfeuer und man lernte sich in einer lockeren Gesprächsrunde kennen, welche bis spät in die Nach hinein dauerte.

Nach einer geruhsamen Nacht, abseits von Straßenlärm erwachten wir am nächsten Morgen erfrischt. Nach einem herzhaften Frühstück, bei dem ein tolles Omelett mit Kräutern das Highlight bildete, ging es zuerst zur Vorbesprechung für die Workshops. Zur Auswahl standen: Bogenschießen, Henna Tattoos, Kreatives Schnitzen und Slacklining. Schnell waren die Teams eingeteilt und jeder machte sich eifrig mit seiner Gruppe im jeweiligen Kurs auf den Weg.

Wir schlossen uns zuerst der Henna Tatoo sowie der Schnitzcrew an. Hier wurden tolle kreative Symbole auf Arme, Beine und Hände gezaubert. Beim Schnitzen konnte man seinen Gedanken freien Lauf lassen und ziemlich schnell schwappte die Ruhe dieser idyllischen Landschaft auf einen über. Wir vertieften unsere Gespräche vom Vorabend und hatten viel Spaß.

Nach einem leckeren Mittagessen versuchten sich einige am Slacklining. Hierzu wurde ein Band zwischen zwei Punkten gespannt auf welchem man mit viel Koordinationsgefühl balancieren konnte… Oder auch nicht 🙂

Am späten Nachmittag besuchte uns der Dipl. Psychologe Daniel Fesel. Wir bildeten einen Gesprächskreis und ziemlich schnell erzählten die Teilnehmer ihre bewegenden Lebensgeschichten. Das Tourette Syndrom war bei vielen Thema, jedoch war es auch ein sehr schönes Erlebnis, dass sich nicht alles um die Tics drehte, sondern auch viele allgemeine und spezielle Sorgen zum Vorschein kamen, die uns alle bewegten. Nach diesem Seelen-Talk verließen viele gestärkt die Gesprächsrunde, um noch etwas für sich zu sein und das Gesagte nachklingen zu lassen.

Am Abend gab es dann noch eine Runde intuitives Bogenschießen. Uns fiel auf, dass bei vielen sowie auch bei uns die Tics wie weggeblasen waren. Die innige Beschäftigung mit der eigenen Mitte tat gut. Wir führten noch einige Visualisierungsübungen unter der großartigen Leitung des Erlebnis-Pädagogen Jochens durch und wurden eins mit unseren Bögen. Die Ergebnisse konnten sich wirklich sehen lassen. Die Trefferquote wuchs bei jedem Durchlauf.

Völlig entspannt trafen wir gegen Abend am gemeinsamen Lagerfeuer ein. Wieder gab es Leckeres am und vom Feuer. Dieses Mal sollte es eine Art Feuertopf sein. Ein Kartoffelgratin wurde in einer Tonschale in den Flammen gegart. Super lecker. Die Stimmung war mega. Gemeinsam sangen wir zu Gitarrenklängen von Jochen „Fix you“ von Coldplay. Ich finde, das war die schönste Version, die ich jemals gehört habe, so echt und aus vollem Herzen.

Am späten Abend nach Einbruch der Dunkelheit hatte das N. E. W Team noch etwas ganz besonderes für uns alle vorbereiten. Die Teamer tauchten mit Fackeln auf, um uns eine kleine Feuerspuck-Aktion darzubieten. Aber das war längst nicht alles. Nein! Wir durften mit Hilfe von einem speziellen Mehl selbst zu Feuerspuckern werden. Nach einigen Sicherheitshinweisen und Probedurchläufen waren alle soweit, dass sie das Mehl in den Mund nehmen und mit zielgerichteter Kraft durch die flammende Fackel spucken konnten. Diese Aktion wurde dann kurzerhand spontan gefilmt, so dass jeder Teilnehmer*in sein/ihr Video in Slow-motion aufs Handy zugesendet bekam, selbstverständlich erst nach dem Camp. Da in der Unterkunft nicht mal einen Balken unser Display zierte.. 🙂 das war aber irgendwann egal.

Wir redeten dann noch darüber, wie sehr wir auf einmal wieder im Hier und Jetzt leben würden und wie die Smartphones einen manchmal auch echt von vielen schönen Erlebnissen abschirmen. Naja zugegeben, ich selbst war schon auch wieder froh als meine Social Media Plattformen wieder den News Feed updateten. Aber irgendwie war es nicht mehr so wichtig. Hatten wir doch ganz persönliche Momente erlebt. Entsprechend tief und traumreich war die letzte Nacht.

Am Tag der Abreise war der Gang zum Waldtoilette (mit autoaktiver Hydroflow = Wasserkanne zum Runterspülen 🙂 dann schon fast Alltag geworden. Viele Teilnehmer berichteten, dass sie später zuhause die Kanne vermissten und ganz irritiert von der automatischen Klospülung waren :), schon völlig normal.

Nach einem letzten gemeinsamen Frühstück und einer tränenreichen Reflektionsrunde wurden Telefonnummern und Profilnamen ausgetauscht und wir waren uns alle sicher: Nächstes Jahr wollen wir alle wieder dabei sein!!!! Unsere gemeinsame WhatsApp-Gruppe überschlägt sich jetzt noch mit Worten der Begeisterung für diese tollen Tage ohne Vorurteile und voller Gemeinsamkeit.

Jean-Marc Lorber & Micha Arnold


Wir bedanken uns bei der BARMER Krankenkasse für die Förderung.

Barmer