Die Ursachen des Tourette Syndroms sind bisher nur teilweise erforscht. Es wird eine Störung im Botenstoffwechsel des Gehirns angenommen. Die Ätiologie beschäftigt sich mit der Ursache von Erkrankungen und ihren auslösenden Faktoren (in der Abgrenzung zur Pathogenese). In der medizinischen Diagnostik wird umgangssprachlich auch die Ursache einer Krankheit selbst als Ätiologie bezeichnet. In den meisten Fällen bleibt die Ätiologie des Tourette Syndroms unklar. Die Pathogenese beschreibt die Entstehung einer physischen oder psychischen Erkrankung oder den Verlauf eines krankhaften Prozesses bis zu einer Erkrankung.
Eine von der DFG geförderte Forschungsgruppe „Kognitive Theorie des Tourette Syndroms – Ein neuer Ansatz“ untersucht seit 2018 die neurobiologischen Grundlagen von Tic-Störungen & Tourette Syndrom. Leiter der Gruppe sind:
Prof. Dr. Christian Beste, Kognitive Neurophysiologie, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
Prof. Dr. Alexander Münchau vom Institut für Systemische Bewegungswissenschaft der Universität zu Lübeck.
Die ersten Studienergebnisse stellen die bisherige Annahme, dass Tic-Störungen und das Tourette Syndrom Bewegungsstörungen wären, infrage. Es zeigte sich, dass Patienten mit Tic-Störungen eine viel stärkere Kopplung zwischen Sinneseindrücken und motorischen Reaktionen vornehmen. Mehr Informationen:
Es wurde insbesondere durch bildgebende Verfahren (MRT, fMRT, PET, SPECT) nach krankheitsbedingten Veränderungen hinsichtlich der Ursachen des Tourette Syndroms geforscht.
In den Studien konnten Auffälligkeiten in motorischen und somatosensorischen Anteilen der corticostriatalen-thalamocorticalen Schaltkreise nachgewiesen werden. In neueren Studien zeigte sich darüber hinaus die Beteiligung von Hirnstrukturen weiterer Schaltkreise, insbesondere des limbischen Systems.
Es wird angenommen, dass Dysfunktionen von Dopamin- und Serotonin-Neurotransmittersystemen mit dem Tourette Syndrom assoziiert sind. Darüber hinaus fanden sich in letzter Zeit Beweise, dass zusätzliche Neurotransmitter wie Histamin und Glutamat eine wichtige Rolle spielen .
Durch die Tic-reduzierende Wirkung der Dopaminrezeptor-Antagonisten wird dem dopaminergen System eine wesentliche pathophysiologische Rolle zugeschrieben. Am ehesten wird eine präsynaptisch lokalisierte Fehlregulation mit einer funktionellen, phasisch auftretenden Dysfunktion der dopaminergen Transmission angenommen.
Darüber hinaus scheinen aber auch weitere Transmitter-Systeme beteiligt zu sein, insbesondere wird von einer Minderfunktion des serotoninergen Systems ausgegangen.
Familien- und Zwillingsstudien lassen auf eine familiäre Veranlagung im Sinne einer multigenetischer Vererbung mit unvollständiger und variabler Penetranz schließen. Verschiedene beschriebene Genveränderungen konnten bisher nicht bestätigt werden.
Es wird davon ausgegangen, dass das Erkrankungsrisiko für ein Tourette Syndrom für weibliche Nachkommen um 5%, für männliche Nachkommen um 10% erhöht ist. (Robertson et. al. 2009) Aktuell steht eine genetische Untersuchung zur Diagnostik eines Tourette Syndroms leider noch nicht zur Verfügung.
Für die Krankheitsmanifestation sind auch nichtgenetische Faktoren (Umweltfaktoren) relevant. Das bedeutet, es müssen zusätzliche nicht-genetische Faktoren hinzukommen, damit das Tourette Syndrom entsteht.
Weitere Informationen:
https://iv-ts.de/abstracts/bildgebung/
Tourette-Syndrom und andere Tic-Erkrankungen
2. aktualisierte und erweiterte Auflage
Paperback, 165 mm x 240 mm
310 Seiten, 18 S/W Abbildungen, 14 Tabellen
ISBN: 978-3-95466-099-5
2014