Tourette Ferienfreizeit Sommerwind 2021

Veranstalter: InteressenVerband Tic & Tourette Syndrom (IVTS e. V.) in Kooperation mit dem N.E.W. Institut Mainz

Impressionen von Jochen Räth (N.E.W.)

Eine sehr besondere 4. Tourette Ferienfreizeit

Ein denkwürdiges Jahr… eine denkwürdige Zeit. Erlebnisse von Vielfalt, Unerklärlichem und vor Allem der Begegnung von Menschen. Begegnungen auf Herzensebene, die uns nähren. Ja, nach einer kreativen Pause im letzten Jahr, wurde uns N.E.Wler*innen die Möglichkeit geschenkt, endlich wieder Menschen gesegnet mit dem Tourette-Syndrom begleiten zu dürfen. So herausfordernd die Lebenssituationen dieser besonderen Menschen im Alltag auch sein mögen – für uns ist diese Zeit jedes Mal aufs Neue zutiefst berührend.

Tourette FerienIch rufe mir dabei gerne den Beginn unserer Woche vor Augen: Verschiedene Charaktere steigen aus dem N.E.W. Bus inmitten des Pfälzer Waldes. Vor dem Waldhaus Kirschtal zwischen Bad Dürkheim und Frankenstein erwarte ich zumindest skeptische Blicke aus der Runde. Blicke auf das Telefon verraten Unheilvolles, die Netzabdeckung ist gleich Null. Somit bleiben nur die Menschen um uns herum. Mich frei machend von Vergleichen und den Bildern aus der Vergangenheit, erlebe ich offene Menschen. Ohne unser Zutun entsteht ein Miteinander, Überschneidungen werden offensichtlich, ein gemeinsames Leben für die Woche entsteht.

SelbstverpflegungMit uns vier Erlebnispädagog*Innen waren sieben junge Erwachsene dabei und vollendet durch den dieses Jahr sogar viertägigen Besuch von Jean-Marc und Michael. Beide stehen als Berater des IVTS e. V. den betroffenen jungen Menschen zur Verfügung. Gemeinsam erkundeten wir das Selbstversorgerhaus. Ob drinnen oder draußen, alle fanden postum einen Wohlfühl-/Schlafplatz und so vergehen bloß kurze Minuten bis die Ersten bei uns in der Küche vorbeischauten, um uns mit den Vorbereitungen für die erste Mahlzeit zu helfen.

Neben einer über die Woche zunehmenden Heerschar von Bienen waren es unerwartete Essensunterbrechungen durch fliegendes Essgeschirr oder einsetzende Regenschauer, die unser Essen kurzerhand in eine Teamaufgabe verwandelten. Inmitten des Regenschauers waren umgehend viele Hände beim Errichten eines mobilen Regenunterstandes zur Hilfe.

Wohlfühlen in der Natur

Bezeichnend war für mich bei allem die Ruhe. Nicht nur ausgehend von der Umgebung, sondern auch in der Reaktion aller aufeinander. Getragen durch das wertschätzende Miteinander ließen wir uns inspirieren und luden uns ein zu intuitiven Spaziergängen.

Dabei schenkten wie den Teilnehmer*Innen die Zeit ein Dankeswort an die Menschen daheim zu richten, die die freie Zeit hier im Wald ermöglichten und den Raum zu Hause halten. Weiterhin wandelten wir mit den Fragen, was gerade in uns ist bzw. was uns am Herzen liegt, sowie was in den Tagen geschehen darf. Dafür fanden wir Symbole der Natur, mit denen wir danach den Kreis unsre Mitte zierten und teilten was wir erlebten.
Die Natur sowie unser Energiezustand blieb in der Woche unser Hauptbezugspunkt. Je nach Witterung und Gemütslage konnten wir jeden Moment neu und ganz gestalten. Regnete es ohne Unterlass, so machten wir es uns drinnen gemütlich und gaben Klänge mit Musikinstrumenten von uns sowie Worte zu einer Traumreise, in der sich alle auf ihren inneren Weg begaben. Auch mit der Ruhe solcher Geschenke ermöglichten wir uns, die Liebe der bedeutungsoffenen Natur zu empfinden und unseren Ausdruck mit ihr zu finden: Mandalas durften nach Herzenslaune von den jungen Erwachsenen mit Naturmaterialien gestaltet werden.

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War uns nach Bewegung und lachte uns die Sonne ins Gesicht, rannten wir im Spiel über die Wiese oder verbanden die Ruhe mit der Bewegung. Ein individuelles Grußwort an die Tanne und los ging es in die Höhe beim Baumklettern. Auch filigrane Hände kamen beim Kunstworkshops mit Makramee- Garn auf Ihre Kosten.

Zusammen mit den vielfältigen Witterungseinflüssen durfte somit jeden Tag Neues entstehen. Des Morgens waren immerzu helfende Hände beim bereiten des Frühstücks dabei. Diese trugen uns durch den Tag und machten es möglich, dass wir abends verschiedenste Gerichte zaubern können: Nudeln mit verschiedenen Soßen, Ofengemüse mit Salat, Gemüsecurry mit Reis und Lagerfeuerpizza.

Tourette FerienTagesreise zum Drachenfels

Besonders das letzte Gericht bringt mich dazu Dich, liebe/r Leser*In, auf eine Tagesreise mitzunehmen- einen Tag voller Tiefe, voller Feuer. Zuerst brauche ich Feuer- Danke Esther für Deinen Atem.

Bereit?
Es ist Donnerstagmorgen 07:30 Uhr. Ein frischer Wind weht über den Vorplatz des Waldhauses Kirschtal. Wir haben uns an diesem Morgen zum Yoga verabredet. Mit einem Teil der Gruppe bietet Jochen Bewegungen inspiriert durch das Yoga an. Auch die Teilnehmer*innen haben Ideen und so entsteht ein verbundenes Miteinander das mit einer offenen Meditation abschließt und zugleich die Energie mit den anderen Seelen (des Hauses) verbindet. Sie sind seit 8 Uhr am Obst und Brot schnippeln, Kaffee und Tee kochen, Müslimischung mischen, Marmeladen, Honig und andere vegetarische/vegane Köstlichkeiten vorbereiten. Gemeinsam starten wir mit einem Spruch die erste Mahlzeit des Tages unter freiem Himmel. Die Sonne scheint, der Himmel ist weit, es gibt keine bessere Reisezeit. Nachdem sich jeder ein Picknick gerichtet hat, fahren wir an den 5 Minuten entfernten Parkplatz „Saupfersch“.
Er ist Ausganspunkt für unsere Wanderung zum Drachenfels.
Ein besonderer Weg, der jede/n auf Individuelle Weise anspricht und der womöglich den einen oder anderen zu seinem persönlichen Drachen führt.
Stetig bergauf leitete uns der Weg vorbei an verwunschenen Sandsteinformationen und Bäumen unterschiedlichster Art. Michael entscheidet sich am Fuße des Weges auf Jean-Marc zu warten und so nehmen wir anderen den gut 2-stündigen Weg weiter nach oben. Glücklicherweise begleitete Charly, Jochens Hund, die Gruppe. Er unterstützte die Gruppe auf seine ganz eigene Weise.
Drachenfels

Ziel erreicht

Am Fels angekommen lassen wir unseren Emotionen freien Lauf. Wir sind erleichtert. Die körperliche Belastung hat sich gelohnt. Der Blick schweift weit über den Pfälzer Wald und manch jemand freut sich sogar über das wieder klingende Handy. Neben der Weite gibt es auch Empfang in verschiedenster Weise. Wir legen die Füße hoch, atmen, öffnen uns – ja wir haben es geschafft. Gemeinsam haben wir uns den Berg hinauf getragen und können nun loslassen.

Plötzlich verdunkelt sich der Himmel, regenschwere Wolken ziehen auf. Regentropfen prasseln hernieder. Es ist Zeit abzusteigen. Zügig und bedächtig geht es erleichterten Fußes (Hand in Hand) zurück.
Wir alle haben uns im Blick und es passieren an den ein- oder anderen Stellen wundersam kraftvolle Ereignisse, finden Begegnungen statt, werden Erkenntnisse gewonnen.
Die Erde hat uns wieder. In der Umgebung des Waldhauses Kirschtal zurück, fühlen wir das etwas Besonders mit uns geschehen ist. Nur Worte dafür finden zu müssen, würde gerade dies Besondere schmälern.
Um wertzuschätzen, hervorzuheben was passiert ist, schaffen wir NEWler*innen einen Raum der kreativen Ausdrucksmöglichkeiten. Es wird mit Makramee – Garn geknotet, mit Holz von gestockter Buche geschnitzt und mit tonkräftigen Musikinstrumenten dem Ausdruck verliehen was in uns ist.
Manch einer erhält gar eine andere äußere Form….

Der Tag neigt sich dem Abend und das letzte Mahl nimmt seinen Lauf. Das Feuer brennt, die Pizza bruzzelt und die Musik ertönt letztlich laut in die Nacht- es ist Zeit für den Tanz in die Nacht…

Habt Dank von Herzen für diese wundervolle Zeit.
Euer/e
Melina, Dorina, Esther, Jochen und Charly


Impressionen von Jean-Marc Lorber und Micha Arnold (IVTS e. V.)

Es war Dienstagabend, als wir auf dem völlig abseits des städtischen Treibens liegenden idyllisch gelegenen CVJM Gelände im Pfälzer Wald, nahe Bad Dürkheim, ankamen.
Frau Dr. med. Melanie Bauer, Oberärztin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim stand den Teilnehmern an diesem Abend für alle Fragen rund um Tics zur Verfügung und hatte sich gerade verabschiedet.

Wir wurden herzlichst begrüßt und mit Fragen gelöchert. Einige der Teilnehmer*innen kannten wir bereits vom Sommerwind 2019 und auch das Team des NEW Institutes, welches wir ja coronabedingt auch 2 Jahre nicht mehr gesehen haben, kam uns freudig entgegen.
Kurz unsere Zimmer gecheckt und ab ging’s ans Lagerfeuer. Eine wunderbare Stimmung, die von Jochens (Erlebnispädagoge) Musik getragen wurde, umgab uns alle.
Am nächsten Tag (Mittwoch) ging es mit einem Warm Up los.

Kurz darauf ging es bereits los zum Photoshooting in den Wald. Hendrik, unser jüngster Teilnehmer, hat ein unglaubliches Fotographisches Talent und überraschte uns mit der Idee, Pulver aus bunter Kreide (selbst hergestellt versteht sich) auf uns zu werfen und gigantische Bilder zu fabrizieren.
Da waren wir natürlich alle dabei. Die Bilder zeigen wie viel Spaß die Gruppe hatte.

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Nach dieser Action hatte man in diversen Gruppen die Möglichkeit entweder zu Klettern (Bäume waren genug da 😉 oder sich kreativ an Henna und der Schmuckherstellung auszuprobieren. Eine weitere Gruppe um Micha, zauberte leckeres Essen in der großzügigen Küche.
Abends ging es wieder ans Lagerfeuer. Dieses Mal gab es viel zu erzählen und wir waren alle erschöpft, aber glücklich.

Der Donnerstag stand im Zeichen der Grenzerfahrung.
Eine Gruppe machte sich auf, den nahegelegenen Frankenstein zu bezwingen.
Dieser Berg thront im wunderschönen Pfälzerwald und war aufgrund des hereinbrechenden Regens für alle eine spritzige Erfahrung.
Mittags stärkten wir uns kurz und gingen dann in einen überaus kreativen Nachmittag über. Jeder hatte auf einmal einen ganz eigenen Flow. Einer versuchte sich gekonnt am Saxophon Spiel, andere bastelten, schnitzten und malten nach Herzenslust und präsentierten ihre Werke am frühen Abend. Kaum zu glauben das nun schon unser letzter Abend war.

Viele Gespräche um das Leben mit Tourette oder anderen Tic-Störungen kamen zustande. Beim gemeinsamen Pizza machen am Feuer brachen dann auch wirklich alle Dämme. Wir tanzten zu mitgebrachter Musik und wollten alle gar nicht mehr nach Hause.
Am nächsten Morgen machte sich wehmütige Stimmung breit. Bei der gemeinsamen Reflexionsrunde flossen einige Tränen. Es waren Tränen der Erleichterung und des Abschieds. Aber sie waren auch ein Zeichen dafür, dass wir alle über uns hinausgewachsen waren und Freundschaften geschlossen hatten.

Danke an das tolle Team des NEW Institutes sowie natürlich an den IVTS für diese wunderbare Veranstaltung!