Die Autoren David Mataix-Cols, Helene Ringberg und Lorena Fernandez de la Cruz vom „Centre for Psychiatric Research, Karolinska Institute, Stockholm, Sweden“, gehen in ihrem in der Zeitschrift Movement Disorders veröffentlichten Artikel der Frage nach, ob sich die Tic-Symptomatik bei Patienten mit Tic-Störung oder Tourette-Syndrom in Zeiten von Covid 19 verändert hat.
Hierzu wurden im Rahmen einer Studie Patienten mit Tic-Störung oder Tourette-Syndrom folgende Frage gestellt: Haben sie das Gefühl, dass sich Ihre Tics seit dem Beginn der Coronavirus-Pandemie (Februar-März 2020) verschlechtert haben? Die Antworten wurden bewertet mit Hilfe einer 5-Stufen Skala von „Meine Tics haben sich stark verschlimmert“ bis zu „Meine Tics sind deutlich besser geworden“. Weitere Erklärungen konnten zusätzlich frei formuliert gegeben werden. Die Erhebung der Daten erfolgte zwischen 27. April und 26. May 2020.
An der Studie nahmen 178 Erwachsenen mit einer Diagnose von Tic-Störung oder Tourette-Syndrom teil. (57% Frauen, 40% Männer und 2 % andere bzw. keine Angabe zum Geschlecht) Die Altersstruktur der Probanden war folgendermaßen: 44% 18-25 Jahre, 26% 26-35 Jahre, 13% 36-45 Jahre, 11 % 46-55 Jahre und 6% älter als 65 Jahre.
Die meisten Teilnehmer kamen aus Europa (58%) oder Nordamerika (35%). Die Mehrzahl (78%) litt zudem an Komorbiditäten wie Ängsten (43%), Zwangsverhalten (35%), Depression (34%), ADHS (33%) und Formen des autistischen Spektrums (10%). Die mittlere Schwere der Tics lag gemäß ATQ ( Adult Tic Questionnaire) bei 52,81 (SD=32,46, motorische Tics 34,83 +/- 18,14; vokale Tics 17,98 +/- 16,77)
Ungefähr die Hälfte der Teilnehmer (48%) berichteten, das sich ihre Tics etwas (33%) oder sehr stark (16%) seit dem Ausbruch der Pandemie verschlechtert hätten. Die gefühlte Verschlechterung wurde assoziiert mit vermehrtem Stress und Ängsten hinsichtlich Sorgen um die finanzielle Situation, Zukunft und Familie. Hinzu kommen die verminderte Möglichkeit, Sport zu treiben, weniger Ablenkungen, veränderte Routine im täglichen Leben, und die Angst vor Kontakten mit anderen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit.
Einige Patienten berichteten auch von Stigmatisierungen bei Husten-Tics, vermehrten Tics auf Grund der zu tragenden Maske und einer Zunahme an selbst-verletzendem Verhalten. 44% der Teilnehmer gaben an, dass sich ihre Tics in Zeiten von Corona nicht verändert hätten. Einige (6%) berichteten sogar von einer leichten Verbesserung der Tic-Symptomatik und 2% ging es deutlich besser. Diese Patienten berichteten, dass die Möglichkeit einer Arbeit von zu Hause aus (Homeoffice) und die damit verbundene Verringerung an Sozialkontakten ihnen gut täten. Follow-up-Untersuchungen beschäftigten sich mit der Frage ob die gefühlte Verschlechterung mit soziodemographischen oder klinischen Variablen zusammenhing. Im Vergleich zu Patienten, die eine Besserung der Symptome verspürten, waren die Patienten, die eine Verschlechterung der Tic-Symptomatik berichteten jünger (vorwiegend 18-25 Jahre alt) und wiesen grundsätzlich eine stärkere Tic-Symptomatik auf.
Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass trotz der Grenzen der Studie auf Grund der subjektiven Bewertung der Schwere der Tics deutlich wird , dass ein wesentlicher Anteil an Patienten mit Tics und Tourette eine Verschlechterung der Symptomatik seit Beginn der Corona-Pandemie verspürt.